Das Bild malte der Künstler Prasanth K.P. (Kurungazhiyil Peethambraran), der, wenn er nicht gerade Dresden besucht, in der indischen Stadt Kochi lebt. Dort entstand 2021 das Porträt-Gemälde, das der Künstler mit Aquarellfarben auf einem 300g/m² Aquarellpapier im Format DIN A3 anfertigte. Und er gab dem Werk den Titel „Sadhu“ – was aus dem Sanskrit übersetzt „Guter oder auch: Heiliger Mann“ bedeutet.
Zusehen ist ein etwas wässrig-wirkender dunkler Hintergrund in Grau- und Schwarztönen. Im Vordergrund ist der Kopf eines alten Mannes dargestellt. Er hat eine dichte lange Gesichtsbehaarung und die Bartspitzen zu einem Knoten geknüpft. Der Mann ist Angehöriger des Hinduismus, darauf weisen die farbigen Striche auf seiner Stirn hin. Im Sanskrit werden diese Markierungen Tilaka genannt und stehen für Segen, Glück, Kraft und besondere Energie gebend.
Eine gelbe Stirnfront, die der Porträtierte trägt, und ein senkrechter rote Strich bis zur Nasenwurzel, beides zeremoniell aufgetragen mit Sandelholzpaste und heiliger Asche, deuten darauf hin, dass der Mann einem Orden Vishnus angehört. Gleichwohl trägt er lange, nach hinten hochgesteckte Yata auf dem Kopf (yäta – außerhalb Indiens besser bekannt als Dreadlocks), ein Zeichen für die Verehrung der hinduistischen Gottheit Shiva. Sowohl Vishnu als auch Shiva stehen im Hinduismus sinnbildlich für die Vereinigung und Verbindung der drei Aspekte des Göttlichen – Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung – und somit als Hauptprinzipien der fundamentalen kosmischen Ordnung.
Sadhus sind in diesem Kontext wie Mönche. Sie haben sich komplett dem religiösen Leben verschrieben, widmen sich der spirituellen Entwicklung und bemühen sich um göttliche Einsicht. Sie sind Entsagende, die asketisch leben und nach Erfüllung von Dharma streben, dem ewigen Gesetz der kosmischen Ordnung und eine Art Verhaltensethik. Ziel ist dabei die Befreiung aus der Kette von Geburt, Tod und Wiedergeburt (Samsara) – Kurzum: die Erlösung, Absolution und himmlischer Aufstieg (Samadhi). Das asketische Leben und die spirituellen Bemühung werden als stellvertretend für jeden Einzelnen in der Gemeinschaft gesehen. Ihre Erlösung ist die Erlösung Vieler – entsprechend wohlwollend und achtungsvoll werden Sadhus gesehen.
Das Aquarellbild des Künstlers stellt Fragen nach Werte und Normen – Leben und Glauben. Es wirkt auf den Beobachter wie ein Fingerzeig, der auf unerfüllte seelische und spirituelle Bedürfnisse verweist. Ein Mangel, der sich, unabhängig von Kultur, Nationalität und Hautfarbe, in der modernen Welt des Materialismus wie eine offene Wunde durch die Gemeinschaft brennt und jeden einzelnen schmerzlich betrifft – mit allerlei gesundheitlichen Folgen. Zugleich vermittelt das Bild dem Betrachter ein Gefühl von Hoffnung und inspiriert zur Besinnung.